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  Michael Dietmar Pierschel
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Michael Dietmar Pierschel
                         letzte Änderungen 01. Februar 2016


Märchen vom Wolf und dem einen Projektmanager

01.02.2016

Es war einmal ein alter Schäfer, der hatte vierzig Jahre lang seine Herde gehütet und schickte sich nun an, seinen Ruhestand zu genießen. Bevor er sich aber zur Ruhe setzte zeigte er dem neuen jungen Schäfer wie und wo er die Herde oft geweidet hatte und auch sonst alles was er wissen sollte.
Zum Abschluss sagte er ihm noch, dass aller Jahre mal ein Wolf das Tal aufsuchte und dann täglich eines der Schafe riss. Dazu hängt hinter der Tür eine Jagdflinte mit der der Wolf dann so schnell als möglich zu erschießen sei. Er müsse sich nur bei Dämmerung am Fluss hinter den Felsen verstecken, wo der Wolf regelmäßig zur Tränke erscheinen würde und einen gezielten Schuss abgeben. Dann sei das Problem wieder für Jahre erledigt.

Der junge Schäfer vergaß diesen Rat schnell und einige Monate passierte auch gar nichts. Dann stellte er eines schönen Tages fest, dass tatsächlich eines der Schafe fehlte. Nach kurzer Suche fand er es und musste feststellen, dass offensichtlich ein Wolf im Tal war. Der junge Schäfer aber hatte einen Lehrgang zum Projektmanagement besucht und beschloss jetzt das Problem professionell anzugehen. Noch am gleichen Tage erarbeitet er einen Projektstrukturplan um den Wolf möglichst schnell wieder loszuwerden. Allerdings wollte er dabei auf gar keinen Fall etwas falsch machen und schon gar nicht gegen geltende Gesetze verstoßen. Gemäß seinem Plan schrieb er also zunächst an die zuständigen Behörden und bat um die Sondergenehmigung den Wolf schießen zu dürfen. Noch am gleichen Tage vereinbarte er auch einen Termin mit dem örtlichen Förster beim Bier um ihn für das Projekt zu gewinnen. Außerdem belegte er vorsichtshalber einen Lehrgang zum Erwerb eines gültigen Waffenscheines und trat in den ortsansässigen Jagdverein ein. Das alles zog sich einige Tage hin und er musste täglich eines seiner Schafe begraben.

Nach etwa einem Monat sah sich der junge Schäfer von einem schier undurchdringlichen Dickicht von Schreiben bis hin zum Ministerium und den Umweltschutzverbänden gegenüber in dem er keinen Überblick über die drohenden Fristen und Termine mehr fand. Die diesbezüglichen Trendpfeile in seinem Meilensteinplan zeigten alle aufwärts und die in den ersten noch optimistischen Tagen gesetzten Zieltermine rutschten weit bis nach Weihnachten weg. Der Förster sprach nicht mehr mit ihm und den Waffenschein hatte er auch nicht erhalten, weil er das erforderliche polizeiliche Führungszeugnis nicht schnell genug hatte beibringen können. Außerdem verbrachte er jetzt viele Stunden seiner Zeit damit die am Anfang total vernachlässigte Risikoanalyse nachzuholen und die Stakeholder aus dem Dorf, welche allesamt vom Förster mobilisiert worden waren, genauer auszuleuchten und eine diesbezügliche neu durchdachte Kommunikations- und Informationsstrategie zu erarbeiten. Und er erwog auch noch einen ausführlichen Bericht an die Presse zu seiner gegenwärtigen Situation zu verfassen um die Öffentlichkeit einerseits für sein Problem zu sensibilisieren und andererseits damit auch vollständige Transparenz in der Außenkommunikation sicherzustellen.

Darüber vergaß er eines schönen Tages aber, sich um das arme neu gerissene Schaf des Tages zu kümmern und prompt meldete sich das Veterinäramt mit einer saftigen Geldbuße und einer zusätzlichen hochnotpeinlichen Verwarnung für den Wiederholungsfall wegen des öffentlich liegengelassenen Kadavers.

Einen weiteren Monat später hatte der junge Schäfer zwar keine Schafe mehr, dafür entsprach aber das Projekt Wolf jetzt nahezu vollständig der Theorie und besaß in fast allen denkbaren Bereichen exzellente Termin- und Kommunikations- und auch sonstige Pläne, die sowohl im Rechner als auch in gedruckter Form von ihm persönlich unterschrieben vorlagen.

Außerdem hatte er jetzt sein Team erweitert um einen Rechtsanwalt, der sich um die Klagen und Auflagen der Behörden kümmerte und einen Insolvenzverwalter, der den einst existierenden Schäfereibetrieb oder die davon verbliebenen Reste vermarktete. Dazu kam nur noch ein Informatiker, der das kleine aber durchaus erforderliche Rechnernetz des Teams betreute und eine Sekretärin, die die regelmäßigen Projektfortschrittssitzungen organisierte und die dazu erforderlichen Zahlen nach seinen Vorgaben berechnete sowie die entsprechenden von der Gesellschaft für Projektmanagement empfohlenen Dokumente vorbereitete, ausdruckte und strukturiert im Projektordner hinterlegte. Für den Mitarbeiter der die Kommunikation mit Behörden und Umweltverbänden übernehmen sollte hatte unser Schäfer bereits einen Bankkredit aufnehmen müssen. Dabei hatte er sehr bedauert in der Planung nicht gleich einen Controller mit berücksichtig zu haben, der eigentlich erst im nächsten Milestone mit vorgesehen war.

An diesem Punkt wurde unserem Schäfer erstmalig bewusst, dass sein magisches Dreieck der Projektplanung momentan eher einer Scheibe ähnelte. Das Projektziel, den Wolf loszuwerden, war zwar geblieben, aber die Kosten und die Zeit hatten sich sehr schnell in horizontaler und in entgegengesetzter Richtung bewegt. Die einfachste Möglichkeit hier wieder ein Dreieck zu erhalten war folglich ein deutlich verändertes Projektziel.

Außerdem realisierte er jetzt auch, dass die eigentlichen Auftraggeber des Projekts, die Schafe, gar nicht mehr da waren. An dieser Stelle begann er darüber nachzudenken, wie man mit bereits Verstorbenen kommunizieren möge, da deren Zustimmung zu veränderten Projektzielen ja dringend erforderlich erschien.

Und wenn er (der Wolf) nicht von selbst gestorben ist, dann wird dieses Projekt noch heute professionell vorangetrieben.


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